Zum Thema #predatoryjournals – gibt es schwarze Listen und wie verlässlich sind sie?

Letzte Woche hat eine gross angelegte Berichterstattung in der deutschsprachigen aber auch internationalen Presse zu «wissenschaftlichen» Abzock-Zeitschriften die Debatte um sogenannte Predatory Journals wieder angefacht. Die Debatte und das Problem sind nicht neu – wenngleich ähnliche “Sting Operations” aus der Vergangenheit in den z.T. reisserischen und unpräzisen Reportagen nicht erwähnt werden. Einige KollegInnen an anderen Institutionen haben inzwischen kluge, umsichtig recherchierte Beiträge zu wichtigen Facetten dieser Kontroverse veröffentlicht (siehe z.B. hier, hier oder hier). Wir wollen in diesem Beitrag kurz der Frage nach einer verlässlichen Blacklist nachgehen.

Schwarze Listen nach Beall

Als Jeffrey Beall vor einiger Zeit seine viel benutzte (und umstrittene) List of Predatory Publishers löschte, wurde es für viele Institutionen und Forschende schwierig die Vertrauenswürdigkeit von akademischen Zeitschriften anhand einer handlichen schwarzen Liste zu prüfen. Alternativen waren und sind noch immer dünn gesät. Dann veröffentlichte im März 2018 Dalmeet Singh Chawla in Nature einen Aufsatz zum Thema mit dem Titel «The undercover academic keeping tabs on ‘predatory’ publishing. Following the shutdown of Beall’s list, blacklists that warn against questionable publishers are in demand». Chawla stellte zwei freiwillig geführte Unterfangen (interessanterweise ohne direkte Verlinkung) und eine proprietäre Lösung, Cabells’ Journal Blacklist (mit Verlinkung), vor.
Beall’s List auf Weebly und Stop Predatory Journals werden anonym geführt. Erstere ist eine eins-zu-eins Kopie von Beall’s Original, die durch Notizen ergänzt wird, im Kern jedoch unverändert bleibt: Sie wird von einem Post Doc an einer Europäischen Uni gepflegt. Stop Predatory Journals liegt auf GitHub und ist offen (siehe: Contributions). Sie ging im Januar 2017 online, aber seitdem scheint sich nicht allzu viel getan zu haben. Die Twitterpräsenz des Unterfangens @stoppredatoryj ist ebenfalls inaktiv.

Cabells’ Journal Whitelist and Blacklist

Ganz anders sieht es bei der proprietären Variante aus. Cabells’ ist schon lange im Geschäft der Journal Listenführung (ähnlich wie z.B. ProQuest’s Ulrichsweb). Als Beall in den Ruhestand ging, übernahm Cabells seine Liste und baute auf diesem Grundstock einen kostenpflichtigen Service auf, der 2017 im Mai in Nature (inklusive direkter Verlinkung auf den Anbieter) angekündigt wurde und im Juni an den Start ging.

Kriterien

Die detaillierteste Darstellung des Auswahlprozesses wurde im März 2018 von Michael Bisaccio, dem Communications Manager von Cabells, in einem Aufsatz in ALPSP’s Learned Publishing publiziert. Laut Bisaccio wurde zunächst Beall’s Liste mithilfe von rigorosen Kriterien weiterentwickelt. Mittlerweile umfasst die Blacklist über 800 Titel und Bisaccio schreibt, dass pro Jahr weitere 800-1000 Titel dazukommen.
Die Entscheidung ein Journal als schwarz oder weiss zu markieren ist danach sehr komplex, wobei der genaue Weg nicht wirklich offengelegt wird. Man kann jedoch davon ausgehen, dass die Parameter durchaus ernsthaft verfolgt werden. Cabells Kriterien für die Eingruppierung eines Journals in der Blacklist findet man hier.

Einschätzung

Das Open Science Team der Uni Bern erhält regelmässig Anfragen von Forschenden, vor allem aus den STM Bereichen, wie man dem Problem der Predatory Publishers beikommen kann, bzw. welche Instrumente zur Verfügung stehen, um Fallen zu umgehen. Diese Anfragen dürften im Nachgang zu der jüngsten Berichterstattung in der internationalen Presse ansteigen.
Wir haben bereits im April dieses Jahres von Cabells ein Angebot erbeten, das auch postwendend von keinem Geringeren als Bisaccio selbst geschickt wurde. Seine Email beinhaltete Broschüren für die Whitelist und Blacklist sowie erste Informationen zum Paket und Leistungsangebot, das u.a. altmetrics, Impact Factors, und Discount beim Geschäftspartner Editage umfasst.
Die Informationen in den Broschüren schaffen allerdings noch weniger Klarheit als Bisaccios Aufsatz. Es wird z.B. von einem “scoring system…specifically designed to ensure that new or inexperienced journals are not flagged” gesprochen. Wie genau dieses gewichtete System funktioniert, wird jedoch nicht ersichtlich. Im Endeffekt muss man diesen kompliziert erscheinenden Prozessen und damit den Entscheidungen von Cabells vertrauen.
Die Kosten für ein Abonnement der Listen sind beträchtlich, wobei aus dem Angebot nicht nicht eindeutig hervorgeht auf welchen Kriterien die Preise beruhen.
Das Open Science Team hat nun entschieden bei Nachfragen aus den Fakultäten alle drei Optionen – Beall’s List auf Weebly, Stop Predatory Journals und Cabell’s Liste zu kommunizieren, aber Letzteres nicht für die Uni insgesamt zu abonnieren.

Schlussfolgerungen

Kurz nach dem Erscheinen von Cabell’s Service publizierte Rick Anderson eine Besprechung der Liste in Scholarly Kitchen. Anderson meint dass die Liste prinzipiell ein grosser Schritt in die richtige Richtung ist: sie ist rigoroser als die (von der Anti-open access Einstellung ihres Autoren beeinflusste) Liste von Beall, kommt aus einem Haus, das sich schon lange mit Journals beschäftigt und hat solide Ansätze. Allerdings gibt es neben technischen Problemen auch noch Unklarheiten bei den Kategogrien, den Preisen und der Vollständigkeit (und Gewichtung) der Verstösse einzelner Journals.
Das Urteil darüber ob ein Journal nun auf eine Whitelist oder Blacklist gepackt wird in die Hände eines wirtschaftlich motivierten Unternehmens zu legen ist sicherlich nicht ideal, egal wie sehr Bisaccio in seinem Aufsatz auf die Transparenz und Integrität seiner Firma, die exakt kalibrierten, vielschichtigen Auswahlkriterien und die Investition von Arbeitszeit in die finale Überprüfung der Einträge pocht. Auch bleibt zu sehen, ob sich der hier und da verlautbare Verdacht auf Ausschluss von Zeitschriften aus dem globalen Süden (bzw. die Unerschwinglichkeit des Services für Institutionen und Forscher aus diesen Ländern) bewahrheitet. In den lesenswerten Kommentaren zu Andersons Besprechung kommt genau dieser Punkt auf: eine wirtschaftlich motivierte Liste wird im Zweifelsfall auf der Seite des Profits irren und für weniger betuchte Bibliotheken sowie für den globalen Süden, der in erster Linie von dem Problem betroffen ist, unzugänglich bleiben. Angesichts der gesalzenen Preise, die uns Cabells in ihrem Angebot zukommen liess, können wir dies nur bestätigen.
Es steht ausser Zweifel, dass das Kuratieren einer Liste von Predatory Journals Zeit und Geld erfordert; Bisaccio argumentiert völlig zurecht, dass sich die Taktiken der “Predators” ständig verändern und auch darauf flexibel reagiert werden muss. Es wäre jedoch im Sinne aller Beteiligten, wenn ein gemeinnützliches Unterfangen – unterstützt von der Forschungscommunity – diese Aufgabe mit transparenten Methoden und Kriterien übernehmen würde. Die Resultate sollten selbstverständlich im Open Access zugänglich gemacht werden, damit die globale Forschungsgemeinschaft von den Ergebnissen profitieren kann.

Alternativ dazu kann man den Weg von verlässlichen Whitelists (e.g. DOAJ) gehen und den einfachen, wie einleuchtenden Prinzipien von “Think, Check, Submit” folgen.

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